Lipödem - ist das Fett oder kann das weg?

 

 

Heute bin ich das erste Mal seit etwas längerer Zeit wieder mit dem Bus gefahren.
Die öffentlichen Verkehrsmittel sind in einer Großstadt die bequemste Art sich von A nach B zu bewegen und trotzdem bin ich vor zwei Jahren auf ein kleines Auto umgestiegen, weil ich damals viel im Münchner Umland zu tun hatte.

Für eine Fahrt in die Innenstadt war aber die MVG nach wie vor die bessere Wahl.
Als ich in den Bus stieg und mir einen freien Platz gesucht hatte, wollte ich eigentlich in meinem Buch weiterlesen, als mir aus dem Augenwinkel auffiel. dass mich eine Frau die etwas weiter wegsaß anstarrte. Sie sah mich mit zusammengekniffenen Lippen immer wieder von oben bis unten an, wobei ihr Blick sehr lange bei meinen Beinen verweilte. Um ihre Missbilligung meiner äußeren Erscheinung noch zu untermauern, sah sie sich sogar befleißigt ihr Starren mit leichtem Kopfschütteln zu kombinieren.
Ich klappte mein Buch wieder zu und überlegte, ob ich zu ihr rübergehen sollte.
Solche Gaffer hatte ich gefressen.
Nicht weil mich die Blicke selbst noch verletzten würden, denn darüber bin ich mittlerweile wirklich hinausgewachsen, aber vielleicht für die nächste Frau oder das nächste Mädchen, dem so ein Verhalten nahe gehen würde.

Eigentlich hatte ich keine große Lust jetzt Erziehungsarbeit zu leisten und im Bus eine Show abzuziehen, aber einfach so davonkommen lassen wollte ich die unverschämte Gafferin auch nicht.
Also legte ich mein Buch betont langsam auf meinen Schoß und sah die Frau, die offenbar selbst keinen Spiegel zuhause hatte, offensiv an. Als sie merkte, dass ich sie nun ebenfalls im Visier hatte, legte ich zusätzlich noch meinen Kopf leicht schief und sah sie herausfordernd an. Und genau, wie ich es mir gedacht hatte, wurde sie nervös und lief knallrot an. Danach konnte sie ihren Blick gar nicht schnell genug hinaus aus dem Busfenster in die Landschaft abwenden.

Ich nahm mein Buch wieder in die Hand und erlaubte mir hinter geöffneten Buchseiten ein kurzes Grinsen.

 

 

 

Fettabsaugung als Kassenleistung?!

 

Vielleicht hast du es dank unseres Deutschen Gesundheitsministers in den letzten Wochen öfter gehört oder gelesen - das Thema Lipödem hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt und dank Schlagzeilen wie "Jens Spahn fordert Fettabsaugungen sollen Kassenleistung werden" auch die Gemüter erhitzt.
Heißt das jetzt etwa, dass sich irgendwer ne Wampe anfuttern und dann einfach beim Beautydoc sich die überflüssigen Pfunde entfernen lassen kann und die Krankenkasse zahlt das dann auch noch?
Wie kann ein Gesundheitsminister nur so etwas vorschlagen?!

Wer die Artikel dann ganz gelesen hat, dem hat sich erschlossen, dass es um Fettabsaugungen also sogenannte Liposuktionen bei Lipödem geht.

Das Lipödem ist kurz gesagt eine krankhafte Fettverteilungsstörung, die bisher ungeklärte Ursachen hat. Man vermutet einen genetischen als auch hormonellen Zusammenhang, da es nur Frauen betrifft und die krankhaften Veränderungen in Beinen und Armen meist mit dem Eintritt in die Pubertät beginnen.
Die erkrankten Fettzellen lagern ernährungsunabhängig unkontrolliert Fett ein und verformen sich auf ungewöhnliche Weise, was mit der Zeit zu einer Cellulite ähnlichen Hautoberfläche mit starker Dellenbildung und zu deutlichen Gewebeverformungen führt.
Zudem bekommen sehr viele der betroffenen Frauen massive Schmerzen in den befallenen Extremitäten. Mit fortschreitender Krankheit werden diese Schmerzen immer stärker, es kommt zu Bewegungseinschränkungen, nicht nur durch den Schmerz, sondern auch durch das immer weiter wuchernde Fettgewebe und in extremen aber leider nicht seltenen Fällen endet so ein Krankheitsverlauf mit einem Rollator oder gleich im Rollstuhl.

Für die Betroffenen dieser Krankheit hat Jens Spahn also gefordert, dass die Krankenkassen endlich die einzig als wirksam bekannte Behandlungsmethode, nämlich die Entfernung der erkrankten Zellen in den Leistungskatalog aufnehmen sollen.
Denn genau um diesen Punkt streitet sich der dafür zuständige Ausschuss der GBA schon seit Ewigkeiten und findet auch immer wieder sehr kreative Möglichkeiten eine Entscheidung immer weiter aufzuschieben.

Das Thema Lipödem ist etwas, dass jeder irgendwie ganz weit von sich wegschieben möchte. Die Krankenkassen aus Kostengründen, die Ärzte, weil das Fachgebiet der Lymphologie nicht besonders attraktiv erscheint, die Leute auf der Straße weil "die da drüben einfach nur fett ist" und ja am meisten die erkrankten Frauen selbst, weil es in der gegenwärtigen juristisch-medizinischen und auch gesellschaftlichen Situation einer Sackgasse gleich kommt, an genau dieser Krankheit zu leiden.
Es ist wie das scharlachrote A auf der Stirn - jeder sieht dich an, bildet sich seine Meinung ohne dich oder die Fakten zu kennen, teilt dir sein Urteil dann freundlicherweise durch seine Mimik oder, wenn das demjenigen als zu harmlos erscheint auch als Kommentar mit.
Loswerden kann die Betroffene die Krankheit aber weder durch Sport noch durch Gewichtskontrolle - denn die erkrankten Fettzellen führen simpel ausgedrückt ein Eigenleben.
Die einzige Behandlung die Wirkung gegen die Krankheit zeigt, ist die Entfernung des erkrankten Gewebes, aber die Kostenübernahme wird von den Kassen abgelehnt und auf die sogenannte konservative Therapie bestehend aus Lymphdrainagen und Kompressionsbestrumpfung verwiesen.
Diese kann zwar helfen die Schmerzen zu dämpfen und den Lymphfluss, der durch den steigenden Gewebedruck beeinträchtigt wird, wieder anzuregen, aber an der Krankheit ändert es nichts und auch nicht an deren Verlauf.

Das ist eine Kompressionsbestrumpfung - laut Leistungskatalog der Krankenkassen stehen Ödempatienten einmal im Jahr zwei Garnituren der extra nach Maß anzufertigenden Garnituren zu. (Kostenpunkt ca. 1500€ pro Kompressionsset)
Das ist eine Kompressionsbestrumpfung - laut Leistungskatalog der Krankenkassen stehen Ödempatienten einmal im Jahr zwei Garnituren der extra nach Maß anzufertigenden Garnituren zu. (Kostenpunkt ca. 1500€ pro Kompressionsset)

Friss nicht so viel!

 

Ich selbst erhielt die Diagnose Lipödem im Dezember 2013. Davor bin ich über zwei Jahre von einem Arzt zum nächsten geschickt worden und hatte eine Fehldiagnose nach der anderen kassiert.
Im Grunde war die sich ständig wiederholende äußerst kompetente Fachmeinung der Mediziner: "Friss nicht so viel."

Besonders ist mir ein Termin bei einem Sportmediziner und ehemaliger Militärarzt in Erinnerung geblieben, der keine 2 Sekunden auf meine Beine geschaut hatte, um mir dann zu sagen, dass ich einfach zu viel Essen in mich hineinschaufeln würde.
Meine Argumente, dass ich nur an den Beinen zunehmen würde, dass das Fett unnatürlich verteilt ist und dass ich seit Monaten ein Ernährungstagebuch führte und nicht mehr als 595 Kalorien am Tag mehr zu mir nahm und trotzdem dicker wurde, beeindruckten ihn nicht.
Seine Erklärung war ich würde mich doch nur selbst belügen und sollte wirklich eine ernsthafte Diät anfangen.

Er war der Erste der mir das "zu viel gefressen" ohne auch nur eine einzige Untersuchung durchgeführt zu haben ins Gesicht sagte, aber  nicht der Letzte.

Die einzig echte Unterstützung bekam ich in dieser Zeit von meinem Hausarzt, der mir aber auch ganz ehrlich sagte, er sehe zwar, dass offensichtlich etwas nicht mit meinen Beinen stimmte, aber er hatte auch keine Ahnung, was es sein könnte.

Nach über zwei Jahren, in denen sich meine Beine weiter verschlechtert hatten kam dann endlich die Diagnose Lipödem.
Mein Hausarzt wusste nach der langen Zeit auch nicht mehr weiter und schickte mich zu einem Kardiologen, an den er mich gut 18 Monate zuvor schon einmal überwiesen hatte. Nur diesmal sollte mich sein Kollege anschauen. Ich glaube, das war der letzte Strohhalm, nach dem mein Hausarzt griff, denn ich hatte mich aufgrund der ganzen Situation immer weiter vom sozialen Leben zurückgezogen, weil jede Fahrt mit der U-Bahn, jeder Tag im Büro, beim Einkaufen oder Weggehen ein einziger Spießroutenlauf geworden war. Ich ertrug die Blicke, die mir völlig Fremde auf der Straße zuwarfen einfach nicht und die Kommentare von ein paar recht sensiblen Arbeitskollegen a la "Langsam solltest du mal was tun, dein Hintern wird immer dicker." machten meine Situation auch nicht gerade angenehmer.

So ging ich im Dezember 2013 wieder in diese kardiologische Praxis und war geschockt, als ich doch wieder von dem Arzt aufgerufen wurde, der mich 1 1/2 Jahre zuvor schon untersucht und der mir damals gesagt hatte mein Körperfett sei einfach nur etwas ungünstig verteilt und mir mehr Sport empfohlen hatte, um das zu kompensieren.
Ich ging völlig frustriert und sauer in dieses Behandlungszimmer und setzte mich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch des Facharztes und wartete bis dieser sich mit meiner Akte vertraut gemacht hatte.
Als er fertig war, sah er hoch und fragte, was er diesmal für mich tun könne.
"Die richtige Diagnose stellen."
Er sah mich verwundert an und ich begann ihm zu erklären, was ich in der Zwischenzeit durchgemacht hatte, wie sich meine Beine weiter verschlechtert hatten und ich erzählte ihm von einem Bericht, den ich wenige Wochen zuvor in einem Gesundheitsmagazin gesehen hatte, in dem es um eine Krankheit namens Lipödem ging.
Ich schloss meinen Vortrag mit den Worten " Ich will jetzt nur eines von Ihnen wissen: Habe ich ein Lipödem, ja oder nein?"

Er sah etwas betroffen aus, nickte dann und untersuchte mich. Beim Abtasten der Beine hatte ich massive Schmerzen, vor allem im Bereich der Unterschenkel und auch die Ultraschalluntersuchung lies den beim ersten Untersuchungstermin so redseligen Doktor sehr still werden. Anschließend bat er mich,  noch einmal im Wartezimmer Platz zu nehmen.
Als er mich wieder hereinrief, sah er mir offen in die Augen und sagte nur: "Es tut mir aufrichtig leid, was ich damals zu Ihnen gesagt habe. Sie haben ein Lipödem im Stadium II. Das hätte ich damals erkennen müssen. Vielleicht hätte man Ihnen dann noch besser helfen können als jetzt." Danach gab er mir die Kontaktdaten einer Lymphologin vom Freisinger Krankenhaus und sagte mir die Dame würde meinen Anruf erwarten, die Diagnose absichern und die Behandlungsoptionen mit mir durchsprechen.

Wie erwartet bestätigte die lymphologische Abteilung von Freising den Befund und eröffnete mir, dass meine Optionen Kompressionsbestrumpfung in der Ausführung Flachstrick Klasse 2 und regelmäßige Lymphdrainage hießen.
Das würde zwar an der Krankheit nichts ändern aber hoffentlich die Gewebeschmerzen etwas eindämmen und das Lymphsystem am Laufen halten.
Eine echte Besserung meiner Krankheit wäre nur durch  eine Liposuktion meines Lipödems möglich, aber diese Operation würde von den Krankenkassen nicht bezahlt werden.

Die Verformungen welche von den erkrankten Fettzellen gebildet werden, sind auch durch die Kleidung deutlcih zu erkennen
Die Verformungen welche von den erkrankten Fettzellen gebildet werden, sind auch durch die Kleidung deutlcih zu erkennen

finde dich einfach damit ab!

 

Meine erste Kompressionsbestrumpfung war eine Katastrophe und auch die erste Physiotherapiepraxis, bei der ich zur Lymphdrainage ging, war nicht gerade ideal.
Mein Ödem mutierte fröhlich weiter und die Gewebeschmerzen wurden so heftig, dass ich mit 25 Jahren nicht einmal mehr fähig war, mich hinzuknien ohne dass mir schwindelig wurde vor Schmerzen.

Sollte so jetzt echt mein Alltag aussehen? Sollte ich mich den Rest meines Lebens bis über den Bauchnabel in Kompressionswäsche pferchen, die ungefähr so sexy und bequem ist wie eine Wurstpelle und jede Woche zur Lymphdrainage gehen, die eigentlich eh nichts half da ich ein Lipödem und kein Lymphödem hatte, aber das eben das ist, was unser Gesundheitssystem mir als Behandlung zugesteht?

Ich hatte mehrfach von allen Seiten gehört, ich müsse mich damit abfinden, sollte darauf hoffen, dass mein Ödem irgendwann aufhört sich von alleine weiter zu verschlechtern, dass auch andere Frauen sich an das Leben mit der Krankheit gewöhnt haben.

Man erwartete von mir mich an eine Krankheit zu gewöhnen, die mir nicht nur mein Aussehen, meine Attraktivität Stück für Stück wegnehmen, sondern auch meine Bewegungsfreiheit immer weiter einschränken würde und die massive Schmerzen am ganzen Beingewebe verursachte.
Dass ich mich seit Monaten nicht mehr hinknien konnte, hat mir Angst gemacht. Hinzu kam dass ich auch beim Treppensteigen immer mehr das Gefühl bekam, ich hätte Zement an den Beinen.
Es gab 80 Jährige, die besser die Stufen hochkamen als ich.

Und damit sollte ich mich abfinden? Garantiert nicht!
Also fing ich an Fachliteratur zu lesen, um nicht allein von den Aussagen von Ärzten abhängig zu sein. 
Allein in den ersten sechs Monaten habe ich gut 2000-3000 Seiten über das Lymphsystem, Lipohypertrophie, das Lipödem mit all seinen Phasen und Berichte über die Operationsmethoden und deren Erfolgschancen gelesen.

Für mich stand sehr schnell fest, dass ich die Liposuktion wollte.
Die Erfolgsquote der Operationen lag bei ungefähr 98%. Das entfernte Lipödemgewebe wuchs in den meisten Fällen nicht mehr nach, Voraussetzung war allerdings, dass die Patientin fähig war ihr Körpergewicht stabil und ihre Ernährung gesund zu halten.
Aber die Liposuktion stoppte und entferne nicht nur das wuchernde Fettgewebe, die Gewebeschmerzen wurden auch bis zu 90% gebessert und Betroffene gewannen ihre Bewegungsfreiheit zurück.

Medizinisch war ich zu diesem Zeitpunkt bestens informiert, deshalb fing ich ab diesem Zeitpunkt, wo meine Entscheidung feststand an mich mit der juristischen Seite des Problems zu beschäftigen.

Wenn die Krankenkassen die Operation nicht im Leistungskatalog stehen haben, dann bleiben nur zwei Wege: Aus eigener Tasche zahlen oder es über eine Einzelfallentscheidung probieren.
Selber zahlen kam nicht infrage. Liposuktionen bei Lipödem fangen bei 10.000 € an, und die Grenze nach oben ist relativ weit offen, da dieser Wert davon abhängig ist, wie viel Lipödemgewebe vorhanden ist und wie viele Operationen nötig sind, um alles zu entfernen.
Kommt es bei einer selbst bezahlten Liposuktion aber im Nachhinein zu Komplikationen, kann de Krankenkasse die Kostenübernahme für diese Arztbehandlungen ebenfalls ablehnen, da die vorangegangene Operation auf eigenes Risiko durchgeführt wurde.
Dieses Problem lässt sich dann nur über eine entsprechende Zusatzversicherung lösen, die man zum Glück heute abschließen kann, die aber pro Operation abgeschlossen werden muss und nochmal jeweils mit ungefähr 500€ zusätzlich zu buche schlägt.

Ich entschied mich also im ersten Schritt mit meiner Krankenkasse zu sprechen und stieß wie zu erwarten auf taube Ohren.

Zu dieser Zeit hatte ich gerade ein paar Monate in einer neuen Firma gearbeitet.
Es war nicht mein Traumjob, aber er bezahlte mir die Miete.
Meine Beine brachten mich zwar  jeden Abend, wenn ich nach Hause ging halb um, aber ich ging jeden Tag brav ins Büro.
Eines Morgens stieg ich aus dem Bett und konnte nicht mehr laufen. Jeder Schritt war die Hölle für mich. Ich hatte fast Panik, als ich meine Mutter anrief, die mich dann schnellstmöglich zum Arzt brachte.
Die nächsten Tage verbrachte ich mit meinen Beinen in Eiswasser und musste sie ansonsten hochlagern.
Als es besser wurde, ging ich wieder in die Arbeit und hatte drei Wochen später die gleichen Probleme aufs Neue.

Von verschiedenen Ärzten wurde mir dann nahe gelegt auf Reha zu gehen und so stellte ich einen Antrag bei der Rentenkasse, die in diesem Fall dafür zuständig war.
Heute weiß ich, dass ich eine lymphologische Reha in einer Fachklinik gebraucht hätte, aber so schickte man mich auf eine psychosomatische Reha.
Eine absolute Frechheit, über die ich heute nur noch den Kopf schütteln kann, aber mein Arzt hielt es damals für besser, ich würde dem nachkommen um dadurch dann vielleicht endlich eine bessere Verhandlungsbasis für meine Lipsuktion zu erhalten.

Als ich aus der Reha kam, war ich kein Stück gesünder als vorher und es folgte wieder ein irrer Ärztemarathon, bei dem ich aber endlich über eine sehr gute Lymphologin und durch sie über einen Namen stolperte, der mich ein Jahr später zumindest auf den richtigen Weg bringen sollte: Professor Dr. Schmeller.

Ich erinnerte mich schon von ihm und seiner Liposuktionsklinik im Norden Deutschlands gelesen zu haben, war aber nie auf die Idee gekommen mich an ihn zu wenden, da die Klinik privat war und meine Krankenkasse seit Jahren vor Schreck immer den Hörer auf die Gabel fallen lies, wenn ich das Wort Liposuktion nur erwähnte.
Als mir eine Sachbearbeiterin dann doch einmal Gesprächsbereitschaft vonseiten der Krankenkasse signalisierte, hatte ich zwei Tage später eine neue Sachbearbeiterin und die alte war nicht mehr erreichbar...

Auf Anraten der Lymphologin fuhr ich dann Anfang 2016 einmal queer durch Deutschland in die Hanse-Klinik zum Beratungsgespräch.

Die Ärztin, mit der ich sprach und die mich untersuchte war eine Kollegin des Professors.
Sie nahm sich richtig viel Zeit und hatte auch vorab schon alle bisherigen Arztberichte, die ich ihr übergeben hatte, durchgesehen und war daher sehr gut im Bilde.
Ich war mit der Hoffnung nach Lübeck gefahren, dass mir diese Ärzte dort etwas in die Hand gegeben könnten, mit dem meine Krankenkasse endlich einsehen würde, dass meine Liposuktion medizinisch notwenig wäre, zumal sich der Zustand meiner Beine immer weiter verschlechterten und diese Entwicklung nun über Jahre hinweg dokumentiert war.

Meine Enttäuschung war groß, als mir die Ärztin mitteilte, dass ich zu diesem Zeitpunkt keine gute Kandidatin für eine Liposuktion wäre:
- meine Arme wiesen inzwischen ebenfalls Lipödemgewebe auf
- meine Beine hatten sich vom Lipödem zum Lipolymphödem weiterentwickelt, weil mein Lymphsystem dem steigenden Gewebedruck offenbar nicht mehr standhalten konnte
- meine Kompressionsversorgung sowie die regulär verordneten Lymphdrainageeinheiten waren unzureichend
und die psychosomatische Reha, auf die man mich mit meinen Beschwerden geschickt hatte, war völlig ungeeignet gewesen.

Die Ärztin half mir dann mit einer umfangreichen Fotodokumentation und einem ausführlichen Bericht endlich einen Platz in einer lymphologischen Klinik für eine 6 wöchige Entstauungstherapie zu bekommen, sowie nach der Zeit in der Klinik eine Dauerverordnung für die Lymphdrainage und einen Lymphomaten.

Die Entstauungstherapie half mir wieder besser gehen zu können, die zusätzlich angebotenen medizinischen Fachvorträge brachten mich auf den neuersten Stand und am Ende der Reha bekam ich meine erste richtig gut passende Kompressionsware angepasst.
Trotzdem verschlechterte sich mein Ödem in den nächsten 9 Monaten immer weiter und neue Einschränkungen in meiner Bewegungsfreiheit kamen hinzu.

Ich fuhr nochmal nach Lübeck und von Seiten der Ärzte hätte ich jetzt eignentlich für eine baldige erste Operation grünes Licht bekommen, aber woran das erneut scheiterte muss ich glaube ich nichtmal mehr erwähnen....

Meine Ärzte rieten mir schließlich zu einer weiteren Entstauungstherapie die Rentenkasse, die offenbar nicht glauben wollte, dass ich schon wieder einen Klinkaufenthalt brauchte, bestellte einen Gutachter.
Es dauerte ganze 10 Monate, bis die Rentenkasse endlich einen Gutachter fand, der nicht wieder in letzter Sekunde mitteilte, er hätte keine Termine mehr frei und ich endlich die zweite physikalische Entstauung genehmigt bekam.

Inzwischen hatte sich mein Lipödem wie schon von Ärzten prophezeit leider ins Stadium III verschlechtert.
Ich weiß bis heute nicht, was die Gutachterin in ihren Bericht geschieben hat, aber offenbar hat es gewissen Stellen Beine gemacht und meine Reha wurde schnellstmöglich genehmigt.

Diesmal wählte ich eine andere Klinik für die Behandlung, die auch bei schwereren Befunden sehr gute Ergebnisse erzielte und mit einer anderen Bandagetechnik arbeitete, als die Klinik in der ich zuvor gewesen war.
Nach drei Wochen Behandlung lief ich jeden einzelnen Tag meine 10 Kilometer.
In dieser Zeit stieg ich mit Bandagen an den Beinen wieder ganze Anhöhen hinauf..
Am Ende der Behandlung hatten sich meine Schmerzen gebessert und das Ergebnis hielt auch einige Monate an, aber natürlich nicht ewig, denn das ist immer das Problem bei einem Lipödem.

Konservative Behandlungsmethoden können kurzzeitig eine Verbesserung für den Bewegungsapparat bringen und die Schmerzen etwas verbessern, aber sie lösen das eigentliche Problem nicht. Das Lipödem bleibt bestehen und so werden immer neue Behandlungen erforderlich um die Beschwerden zu lindern, aber die eigentliche Wurzel des Problems wird nie angegangen - die Entfernung der erkrankten Fettzellen, die diesen ganzen Aufwand erst notwendig machen.

Lipödem Stadium III. Die Markierung zeigt die Verteilung des Lipödems am inneren Oberschenkel
Lipödem Stadium III. Die Markierung zeigt die Verteilung des Lipödems am inneren Oberschenkel

aufgeben? - Garantiert nicht!

 

Also ja, ich bin sehr dafür, dass den Spielchen und Verzögerungstaktiken des GBA endlich ein Ende gesetzt werden und Liposuktionen bei Lipödem als anerkannte Behandlungen in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden.

Warum Jens Spahn auf die Idee gekommen ist, sich für Lipödembetroffene einzusetzen, weiß ich nicht. Ich kann auch ehrlich sagen, dass es mir egal ist, ob er einfach ein Herz für Lipödemkranke Frauen hat, oder ob einer seiner Berater im Gesundheitsministerium fähig war, einen Taschenrechner zu bedienen und ausgerechnet hat, was eine Lipödemkranke Frau die Gesundheitskassen ein Leben lang kostet bei konservativer Therapie und wie viel billiger es eigentlich kommt, wenn man den Betroffenen eine fachlich korrekt durchgeführte Liposuktion ermöglicht.
Eine Rechenaufgabe, die den Krankenkassen übrigens nie geglückt ist.

Ich habe mein Lipödem nie akzeptiert und werde es auch nie tun.
Ich habe gelernt damit zu leben oder besser gesagt ich habe eingesehen, dass ich mir davon nicht mein Leben kaputtmachen lassen darf. Ich habe ein Lipödem, aber ich bin kein Lipödem. Es darf mich nicht definieren. Ich kann nicht ändern, dass mich Leute wegen meiner dicken Beine blöd anschauen oder dass ich mich seit 5 Jahren nicht mehr auf den Boden knien kann und Treppen steige wie eine alte Frau, aber ich kann entscheiden, wie ich damit umgehe.

Trotzdem führt für mich kein Weg an der Operation vorbei, denn ich werde mich nicht in mein Schicksal ergeben. Ich mag gelernt haben für den Moment mit dem Lipödem umzugehen, aber es ist trotzdem ein Fremdkörper, der da unter meiner Haut sitzt, mir Schmerzen verursacht und mir in fast allen Bereichen meines Lebens jahrelang großen Schaden zugefügt hat.
Ich werde nie mit dieser Krankheit Frieden schließen, genauso wenig wie Millionen von weiteren von der Krankheit betroffenen Frauen.